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1980s vs. 2025 –
Wie aktuell ist der europäische Arbeitsschutz?
ed* Nr. 02/2025 – Kapitel 1
Als die Europäische Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie1 im Jahr 1989 verabschiedet wurde, war die Arbeitswelt eine andere. Industriearbeitsplätze dominierten, Computer waren selten auf Schreibtischen zu finden und psychische Belastungen waren allenfalls ein Randthema. Arbeitsschutz war damals vor allem dazu gedacht, physische Risiken zu mindern. Ganz im Sinne von: Maschinen sichern, Arbeitskleidung bereitstellen und Unfallzahlen senken. Die Einführung der Rahmenrichtlinie und die darauf aufbauenden Einzelrichtlinien waren dennoch ein Meilenstein. Denn sie etablierten Grundsätze wie das Recht auf sichere und gesunde Arbeitsbedingungen in ganz Europa.
Über 35 Jahre später hat sich die Realität auf dem Arbeitsmarkt grundlegend gewandelt. Digitale Technologien, künstliche Intelligenz (KI), hybride und neue Arbeitsmodelle sowie die Aufweichung von Arbeitszeit und -ort stellen neue Anforderungen an die Sicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz. Gefährdungen sind heute komplexer. Oft sind sie nicht sichtbar und entziehen sich klassischen Kontrollmechanismen.


Bei der Überarbeitung der EU-Rechtsvorschriften im Bereich Sicherheit und Gesundheit ist es entscheidend, dass die Sozialpartner in einem echten, inklusiven Dialog zusammenarbeiten und auf dem strategischen EU-Rahmen aufbauen, damit die Regeln den Realitäten des heutigen Arbeitsmarktes entsprechen. Ein zukunftssicherer EU-Besitzstand muss Digitalisierung, klimabedingte Risiken, demografischen Wandel und grenzüberschreitende Mobilität berücksichtigen und zugleich Prävention, Inspektionen und Durchsetzung stärken. Dazu gehört auch, den Schutz über traditionelle Beschäftigung hinaus auf atypische Arbeitnehmer wie Plattform-, Haus- und Saisonarbeitskräfte sowie Migranten auszuweiten. Nur gemeinsam mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen lassen sich Rechtsvorschriften schaffen, die gewährleisten, dass niemand beim Übergang in eine sicherere, gerechtere und nachhaltigere Arbeitswelt zurückgelassen wird.
Zugleich sind viele der damaligen Prinzipien weiterhin gültig – die Verpflichtung zur Gefährdungsbeurteilung, Prävention und Mitbestimmung bilden nach wie vor das Rückgrat des Schutzsystems. Doch reichen diese Instrumente aus, um die europäische Arbeitswelt von heute und morgen wirksam zu schützen?
Zunehmend zeigt sich, dass es nicht nur um neue Gesetze, sondern um eine neue Interpretation bestehender Regeln gehen muss. Wer etwa psychische Belastungen ernst nimmt, muss sie genauso systematisch erfassen wie Lärmemissionen oder Gefahrstoffe. Wer digitale Tools im Arbeitsschutz einsetzt, muss die Beschäftigten einbeziehen und den Datenschutz gewährleisten. Und wer vom Arbeitsschutz der Zukunft spricht, sollte auch die Arbeitsrealität von Plattformarbeitenden, pflegenden Angehörigen, älteren Arbeitnehmenden oder Beschäftigten, die grenzüberschreitend arbeiten, mitdenken.
Im heutigen politischen Klima ist dies wichtiger denn je. Denn Arbeitsschutz ist eine zentrale Voraussetzung für eine starke und resiliente europäische Wirtschaft. Gesunde Beschäftigte arbeiten nachhaltiger, innovativer und produktiver. Die wirtschaftliche Stärke Europas ist abhängig vom Erhalt und der kontinuierlichen Weiterentwicklung der hohen Arbeitsschutzstandards in der Europäischen Union (EU).